Sophie und Moritz Bormass

VERSTORBEN IN THERESIENSTADT IM SEPTEMBER 1942

Sophie geb. Ballin, *13. Mai 1870 in Würzburg
Moritz Bormass, *28. Januar 1865 in Kriescht/Neumark (Ostbrandenburg

Moritz Bormass war seit 1905 Teilhaber, später auch Geschäftsführer der Firma Julius Bormass GmbH. Sein Vater Julius hatte das Kaufhaus Bormass, ein Grün- derzeitbauwerk mit aufwendig gestalteter Fassade  und einem architektonisch prachtvollen Treppenhaus, 1892 auf dem Mauritiusplatz eröffnet.

Moritz Bormass, 1865 in Kriescht/Neumark geboren, war mit Sophie Ballin verheiratet, die 1870 in Würzburg geboren wurde. Das Ehepaar hatte zwei Söhne: Edgar (1895) und Walter (1906).

Das angesehene Kaufhaus Bormass bot alle Bedarfsartikel an und hatte eine große Abteilung für Geschenk- und Ansichtsartikel. In der wirtschaftlichen Krisenzeit der 1920er Jahre überstiegen die Verluste die Einnahmen, das Kaufhaus Bormass musste 1927 Konkurs anmelden. Bei dem folgen- den Zwangsvergleich bürgte Moritz Bormass mit seinem privaten Vermögen für die Julius Bormass GmbH. Um die Verbindlichkeiten zu decken, war er gezwungen seinen Grundbesitz, das Kaufhaus, zu veräußern.

Seit 1932 wohnten Moritz und Sophie Bormass am Gutenberplatz 1. Sohn Edgar lebte seit 1925 in Las Palmas /Spanien, Sohn Walter verließ die Eltern 1933 und ging nach Madrid.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren Sophie und Moritz Bormass zunehmend Repressalien ausgesetzt. Ihr Vermögen wurde im Oktober 1939 beschlagnahmt, eine sogenannte Sicherungsanordnung erlassen. Sie mussten Reichsflucht- und Vermögenssteuer ab- führen und sämtliche Wertgegenstände abliefern. Im Mai 1940 wurde ihre Wohnung am Guten- bergplatz für Kriegsversehrte beschlagnahmt, ein Umzug ins Nerotal 43 musste organisiert werden. Ein Jahr später, im Mai 1941 erfolgte die Anweisung der Behörde, in ein Zimmer zur Unter- miete in die Rheingauer Straße 6 zu ziehen. Hier erhielten sie im August 1942 das Schreiben, dass sie zur „Gemeinschaftsunterbringung außerhalb des Altreiches bestimmt“ seien.

Moritz Bormass schloss mit seinem restlichen Vermögen (41.800 RM) einen sogenannten Heimein- kaufvertrag ab, der ihm und seiner Frau Sophie lebenslang Versorgung und ärztliche Betreuung garantieren sollte.

Die Deportation nach Theresienstadt am 1. September 1942 und die dortigen desolaten Verhältnisse überlebten beide nur wenige Tage. Moritz Bormass kam am 12. September 1942 zu Tode, Sophie Bormass am 17. September 1942.

Nachfahren von Sophie und Moritz Bormass leben heute in Madrid.

Margarethe Dorothea und Albert Liebmann

FLUCHT IN DEN TOD AM 26. AUGUST 1942

Margarethe Dorothea geb. Bragenheim, *2. August 1883 in Bützow (Mecklenburg)
Albert Liebmann, *14. November 1876 in Mainz

Albert Liebmann wurde am 14. November 1876 in Mainz geboren. Im Juli 1902 heiratete er Margarethe Dorothea Bragenheim, Jahrgang 1883, aus Bützow in Mecklenburg. Ein Sohn, Friedrich, wurde 1903 in Mainz geboren. Er emigrierte später nach Australien.

Seit 1927 besaß die Familie Liebmann das Haus in der Albrechtstraße 13, seit 1934 waren sie, aus Mainz kommend, auch dort gemeldet.

Albert Liebmann, Kaufmann und Handelsvertreter, zunächst für Textilien, später für Lebensmittel, war stolz auf seine deutsche Herkunft.

Als er im Jahr 1938 2358 RM als „Sühneleistung“ für die Zerstörungen in der Reichspogromnacht zahlen sollte, hat er sich dagegen gewehrt und argumentiert, dass seine Familie schon seit hunderten von Jahren am Rhein gelebt habe.

Sein Vater war in Ingelheim geboren worden, sein Großvater in Oppenheim und viele Urahnen in der gleichen Gegend. Er selbst stammte also aus einer „uralten, echt rheinischen Familie, welche zu allen Zeiten ihre vollste Pflicht & Schuldigkeit für Deutschland getan hat. Ich selbst habe im Weltkriege meine Pflicht erfüllt habe mich mein ganzes Leben noch nicht mit Politik beschäftigt, gehöre nebenbei der jüd. Religionsgemeinschaft n i c h t an. Ich bitte, unter Berücksichtigung der Notlage und des Alters, um Erlass der Vermögensabgabe, oder wenigstens der Hälfte derselben.
Mit frdl. Gruß!

Alle Gesuche, die Albert Liebmann diesbezüglich an die Behörden richtete, wurden abschlägig beschieden. Als im August 1942 die Aufforderung kam, sich am 29. August 1942 in der Synagoge einzufinden, da man „zur Unterbringung außer- halb des Altreiches bestimmt“ sei, haben sich Albert und Margarethe Liebmann am 26. August 1942 das Leben genommen. Ihr Haus und der gesamte Hausrat wurden beschlagnahmt und vom Finanzamt „verwertet“.

Lilly und Karl Neumann

ERMORDET 1943 UND 1944 IN THERESIENSTADT

Luise (gen. Lilly) geb. Mayer, *28. August 1882 in Nieder-Ingelheim
Karl Neumann, *4. Dezember 1872 in Stadecken

Karl Neumann, 1872 in Stadecken geboren, war selbständiger Weinhändler. Seine Ehefrau Luise, genannt Lilly wurde 1882 in Nieder-Ingelheim geboren. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Walter (1905), Bertha Luise (1918) und Hans Ludwig (1920).

Karl Neumann war gemeinsam mit seinem Bruder Moritz Inhaber der Weinhandlung Laufer & Co in Nieder-Ingelheim in der Bahnhofstraße 54. Das Geschäft der Brüder Neumann lief bis zum Jahr 1933 gut.

Karl Neumann war gemeinsam mit seinem Bruder Moritz Inhaber der Weinhandlung Laufer & Co in Nieder-Ingelheim in der Bahnhofstraße 54. Das Geschäft der Brüder Neumann lief bis zum Jahr 1933 gut.

Danach machten sich die Restriktionen der natio- nalsozialistischen Politik bemerkbar. Am 31. Mai 1938 wurde die Firma aufgelöst. Das Anwesen musste unter Druck verkauft werden. In der Ingel- heimer Zeitung hieß es dazu am 3.10.1938:

Das Anwesen der Weinhandlung Laufer & Co, das sich im Besitz des Juden Neumann befand, ist in den Besitz eines arischen Kaufmanns übergegangen. Als Kaufpreis nennt man 24.000 Mark. Einer nach dem anderen rückt ab, so daß der Zeitpunkt nicht mehr fern liegt, wo wir melden können: Auch Ober Ingelheim ist judenfrei.“ (Meyer, Mentgen, Sie sind mitten unter uns, S. 233)

Bei den Ausschreitungen der Reichspogromnacht im November 1938 wurden Karl Neumann und sein Sohn Hans Ludwig verhaftet und in das KZ Buchenwald gebracht, die Wohnung in der Bahnhofstraße 23 wurde demoliert.
Nach der Freilassung zogen Karl und Lilly Neumann nach Wiesbaden in die Rheingauerstraße 5, die heutige Marcobrunnerstraße. Hier hatte ihr Sohn Hans-Ludwig, der eine Schlosserlehre absolvierte, eine kleine Wohnung. Vermutlich war dies nur als Zwischenlösung gedacht, denn Karl und Lilly Neumann planten ihre Auswanderung in die USA. Tochter Bertha Luise verheiratete Blumenthal war bereits 1937 dorthin ausgewandert, Sohn Hans Ludwig war 1939 gefolgt. Verwandte hatten die Bürgschaft übernommen. Der Bruder des Vaters, Otto Neumann, lebte in Kanada.

Tochter Bertha Luise erklärte 1961, dass ihre Eltern schon 1940 mit einem Einreisevisum für die USA gerechnet hatten, aber die Ausstellung der Bürg- schaftspapiere zog sich in die Länge.

Im Juni 1940 stellte Karl Neumann den Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut. Alle notwendigen Bescheinigungen für die Auswanderung lagen vor. Die Reichsfluchtsteuer und die Sühneabgabe waren geleistet.

5 Kisten Umzugsgut, 3 Kisten Reisegepäck, Handgepäck waren vom Sachverständigen der Devisenstelle geprüft und am 19. Juli ohne Strei- chungen genehmigt worden. Karl Neumann hatte

1.000 RM an die Deutsche Golddiskontbank in Berlin für die Mitnahme seines Umzugsgutes über- wiesen. Möbel und Hausrat wurden für den Weitertransport in die USA in ein Lagerhaus nach Lissabon gesandt. Als dann die Lagegebühren nicht mehr bezahlt werden konnten, wurden die Möbel dort versteigert.

Karl und Lilly Neumann wurden am 1. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. (Transport XII/2-838). Karl Neumann kam am 7. März 1943 zu Tode, seine Frau Lilly am 10 April 1944.

Lili und Eduard Laser

FLUCHT IN DEN TOD 1943 IN THERESIENSTADT  

Lili geb. Herz, *14. November 1883 in Mainz
Dr. Eduard Laser, *7. Dezember 1875 in Wiesbaden, sel. 17. September 1943

Dr. Eduard Laser wurde als Sohn jüdischer Eltern am 7.12.1875 in Wiesbaden geboren. Er hatte zwei Geschwister namens Gustel und Käthe. Seit 1902 war er praktischer Arzt in Wiesbaden und bei seinen Patienten sehr beliebt. Seine Frau Lili Laser geb. Herz wurde am 14.11.1883 in Mainz geboren. Sie war Lehrerin.

Eduard und Lili Laser heirateten am 16.10.1904 in Wiesbaden. Aus der Ehe gingen ihre zwei Kinder Rudolf und Eva hervor. Beide emigrierten noch rechtzeitig vor 1939 nach Indien und entkamen so ihrer Deportation. Dr. Eduard Laser hatte seit 1910 seine Praxis und seine Wohnung in der Langgasse 21, 2. Etage. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 und im Zuge der Rassenpolitik verschlechterte sich die allgemeine Lage der Familie. Der Patientenzulauf verringerte sich drastisch. Bald war Dr. Laser gezwungen, in die Langgasse 20 umzuziehen.

Am 1. August 1936 verlor er seine Kassenzulassung und ab 1938 durfte er nicht mehr als Arzt praktizieren. Er konnte nur noch unter der Bezeichnung „Krankenbehandler“ tätig sein.

Ein Versuch, den Kindern ins Ausland zu folgen, wurde durch den Kriegsbeginn unmöglich.

Am 29. August 1942 mussten sich Dr. Laser und seine Frau zusammen mit mehr als 350 anderen Wiesbadener Juden zur Deportation in der Syna- goge in der Friedrichstraße einfinden. Mitnehmen durften sie einen kleinen Koffer oder Rucksack, etwas Reiseproviant und maximal 50 Reichsmark.

Außerdem hatten sie vorher Abgaben zu leisten wie  die  „Reichsfluchtsteuer“,  die  Judenvermögensabgabe und einen Heimeinkaufsvertrag für die Unterbringung in Theresienstadt abzuschließen. Ihnen wurde vorgegaukelt, in Theresienstadt erwarte sie eine Heimunterkunft. Nach drei Tagen in der Synagoge wurden sie am 1. September 1942 über  Frankfurt  mit  einem großen Transport nach Theresienstadt deportiert. Unter den Verschleppten waren auch Johan- na Herz, die Mutter von Lili Laser, Amalie Hirsch, die Tante von Lili, und Eduards Schwester Käthe Heymann und deren Mann. Als der Transport am 2. September 1942 in Theresienstadt ankam, waren die zumeist alten Menschen in einem desolaten Zustand. Die Lasers und ihre Verwandten wurden auf dem Boden eines Speichers untergebracht. Aus Briefen wird evident, dass sie dort 14 Tage unter schlimmsten hygienischen Bedingungen hausen mussten. Es waren keine Matratzen oder Decken vorhanden, überall gab es Ungeziefer und die Kranken lagen bei den anderen Insas- sen. Unter diesen Bedingungen starb Lilis Mutter Johanna Herz bereits am 15. September 1942.

Lili Laser arbeitete in einer Tintenfabrik. Dr. Edu- ard Laser kümmerte sich als Arzt um die Kran- ken. Dabei dürfte er sich mit Tuberkulose infiziert haben. Ein Jahr nach der Ankunft verstarb er am

17. September 1943 an den Folgen der Krankheit. Lili Laser erfuhr am folgenden Tag vom Tod ihres Mannes und nahm sich gemäß ihrer beiderseitigen Absprache das Leben. Ein Abschiedsbrief an die Kinder, den es Briefen zufolge gegeben hat, ist verschollen.

Isidor und Ferdinand Haas

ERMORDET AM 13. FEBRUAR 1943 IN THERESIENSTADT  

Isidor Haas, *22. Januar 1875 in Rülzheim/Pfalz
Ferdinand Haas, *3. Januar 1879 in Rülzheim/Pfalz

Isidor Haas wurde als viertes Kind der Eheleute Emanuel Haas und Henriette geb. Dreyfus am 22. Januar 1875 in Rülzheim geboren.

Seit etwa 1900 lebte er mit seiner Ehefrau Johanna geb. Vogel in Wiesbaden. Das Ehepaar blieb kinderlos, die Ehefrau verstarb 1925.

Isidor führte mit seinem Bruder Ferdinand einen Lebensmittelgroßhandel, die „OHG Emanuel Haas“, zunächst von Rülzheim aus als Zweigniederlassung in der Mainzer Straße 60. Von 1922 bis 1925/26 wurde der Hauptsitz der Firma von der Moritzstraße 50 aus geführt, schließlich lag er in der Schwalbacher Straße 36, im Erdgeschoss des Hinterhauses. Das Unternehmen beschäftigte bis zu 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, verfügte über Lastwagen, zwei kleinere Lieferwagen und Personenwagen für die Vertreter der Firma. Es wurden Kunden auch über Wiesbaden hinaus beliefert.

Nach der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 mussten die Brüder Haas die Firma aufgeben. Sie wurden gezwungen die Geschäftsräume zu verlassen, Arbeitsfront oder Gestapo nahmen ihnen die Schlüssel ab und ein großer Teil des Warenbestandes wurde geraubt und an die Küche der Volkswohlfahrt verteilt. Die gesamte Büroeinrichtung und die Fensterscheiben wurden demoliert. Der Treuhänder der Nazibehörden zwang die Brüder Haas, die Last- und Personenwagen der Firma zu verschleudern.

Ferdinand und seiner Familie gelang noch 1941 die Flucht in die USA.

Im April des gleichen Jahres hat ein Kunde der Firma, der noch erhebliche Außenstände aus den Jahren 1929/30 abzuzahlen hatte, versucht, eine Annullierung dieser Schulden beim Finanzamt zu bewirken. Er habe einen kleinen Teil der Schulden beglichen. Weiter heißt es:

„Inzwischen hatte ich festgestellt, daß ich es mit einem Juden zu tun hatte. … Damit ich aus den Händen des Juden komme, bitte ich um gefl. Auskunft, was ich machen soll, bzw. ob das Geld dorthin gesendet werden soll. …“

Wie die Nazibehörden entschieden, ist nicht belegt.

Isidor Haas wurde am 1. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 13. Februar 1943 zu Tode kam.

Eine Zeugin sagte nach dem Krieg aus, dass seine Wohnung von Nazibehörden geplündert wurde. Das Finanzamt habe alle Möbel abtransportieren lassen. Dessen Mitarbeiter sollen sich zunächst herausgesucht haben, was sie brauchen konnten, der Rest sei versteigert worden.

Isabella und Siegfried Kahn

ERMORDET AM 15. MAI 1944 IN AUSCHWITZ

Isabella (gen. Bella) geb. Berg, *15. August 1898 in Weiler
Siegfried Kahn, *16. November 1882 in Bombaden

Bella und Siegfried Kahn hatten zwei Kinder, die in Wiesbaden geboren wurden: Lotte am 3. Dezember 1921 und Leo am 3. Mai 1926. Das Ehepaar betrieb in der Wellritzstraße 45 bis 1938 ein gut gehendes Geschäft für Haushaltsgegenstände. Die Familie lebte in der Emser Straße Nr. 48.

Leo war von Ostern 1936 bis November 1938 Schüler der Wiesbadener Gutenbergschule. Nach dem 9./10. November 1938 musste er – wie alle jüdischen Schülerinnen und Schüler – die Schule verlassen. Im Dezember des gleichen Jahres sandten ihn seine Eltern zur Rettung mit einem Kindertransport zu Verwandten in die Niederlande. Er hielt engen brieflichen Kontakt zu seinem Freund Paul Kleinstraß, bis zum Frühjahr 1942. Dann wurde er nach Auschwitz deportiert und dort am 2. September 1942 ermordet. Eine letzte Karte, die sein Freund Paul aus Schweden nach Birkenau geschickt hatte, kam als unzustellbar zurück.

Auch Leos Schwester Lotte hielt brieflichen Kontakt zu Paul. Ihr letzter Brief, in dem sie sich Sorgen um ihre Familie und ihr eigenes Schicksal machte, stammte vom 4. Dezember 1942. Sie musste zu dieser Zeit Zwangsarbeit in Berlin leisten. Im März 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert. Sie nahm sich das Leben am elektrischen Zaun.

Die Eltern Kahn betrieben seit Ende 1938 ihre„Auswanderung“ in die USA. Im Jahr 1939 war das Umzugsgut gepackt und deklariert, die Bescheinigung, dass keine Bedenken gegen Auswanderung und Mitnahme des Umzugsgutes bestünden, lag vor, die Quotennummer war bekannt, vier Schiffstickets, Fahrkarten nach Rotterdam, Reichsfluchtsteuer und „Sühnezahlung“ waren gezahlt.

Die Flucht gelang nicht.

Zeitgleich wurden die Kahns nach und nach aller Rechte beraubt, ihr Vermögen gesperrt und der monatliche Freibetrag für den Lebensunterhalt immer weiter gekürzt. Von Mai 1942 an wurden ihnen monatlich nur noch 162 RM von ihrem eigenen Vermögen zugestanden. Sie mussten noch zwei Mal umziehen und wurden am 1. September 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Hedwig Jakobi

ERMORDET AM 15. APRIL 1944 IN AUSCHWITZ

Hedwig geb. Joseph, *15. Juni 1870 in Michelstadt/Odenwald

Hedwig Jakobi hatte vier ältere Geschwister und eine jüngere Schwester Bertha, zu der sie ein besonders enges Verhältnis hatte. Ihre Eltern waren Abraham Joseph IV und Babette geb. Oppenheimer.

Den größten Teil ihres Lebens hat Hedwig Jacobi in Wuppertal-Elberfeld verbracht. Dort liegen ihre früh verstorbenen Kinder und ihr nicht jüdischer Ehemann Studienrat Professor Dr. Siegfried Jakobi begraben mit dem sie 32 Jahre glücklich verheiratet war.

Briefe an ihre Schwester Bertha Sondheimer, die mit ihrer Familie in den USA lebte, geben Auskunft über ihre sich verändernde Lebenssituation. 1932, nach dem Tod des Ehemannes, lehnte sie ein Angebot zur Familie der Schwester zu kommen zunächst mit der Begründung ab, sie müsse für ihre Gräber sorgen und würde vor Heimweh umkommen.

Im März 1938 zog sie nach Wiesbaden in eine Dreizimmerwohnung in der Kleiststraße 13. Sie hatte Bekannte in Wiesbaden, nähere Verwandte lebten in Darmstadt und Heidelberg. Ab November 1938 kann man aus den Briefen – wenn auch verschlüsselt – die zunehmende bedrohliche, sie bedrückende Situation entnehmen.

Ihre Bemühungen jetzt ein Visum für die Einreise in die USA zu bekommen, waren leider erfolglos. Die Bürgschaft ihrer Schwester, das sogenannte Affidavit vom November 1938, musste im November 1940 erneuert werden; die entsprechende Quotennummer für das Visum war immer noch nicht erreicht. Eine erneute Bürgschaft, die immerhin mehrere tausend Dollar kostete, konnte die Familie der Schwester nicht mehr aufbringen.

Gesundheitliche und nervliche Probleme nahmen zu. Freunde zogen sich nach und nach zurück. Traf sie sich 1938 mit Bekannten noch zweimal wöchentlich zum Bridgespielen, hatte sich die Gruppe 1939 aufgelöst. Ihr Kommentar dazu: „Wie es so geht.“ Sie spricht von zunehmender Einsamkeit.

Ab August 1941 musste sie, die bis dahin die kleinen Vorteile der in Mischehe lebenden Jüdinnen hatte, den Davidstern tragen, durfte nur noch zu bestimmten Zeiten in vorgeschriebenen Geschäften einkaufen.

Im August 1942 erhielt sie den Termin für ihre Deportation nach Theresienstadt. Sie wollte sich das Leben nehmen. Nachbarn rieten ihr davon ab, beruhigten sie, Theresienstadt sei kein Konzentrationslager.

Hedwig Jakobi wurde am 1. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 15. April 1944 in Auschwitz ermordet.

Elise Baer

FLUCHT IN DEN TOD AM 25. AUGUST 1942

Elise geb. Herz, *30. Dezember 1862 in Oberstein/Nahe

Elise Baer wurde 1862 in Oberstein/Nahe geboren. Ihr 1920 verstorbener Ehemann Saly Baer führte in der Friedrichstraße 48 eine angesehene Weinhandlung. Dort wurden die Kinder Anna und Fritz geboren. Tochter Anna heiratete 1909 den jüdischen Kaufmann Siegfried Salomon und lebte danach in Mainz. Familie Salomon besaß bis zu der durch die Nationalsozialisten erzwungenen Aufgabe ein Schuhgeschäft am Domplatz in Mainz.

Sohn Fritz fiel 1914 im 1. Weltkrieg.

Von 1933 bis 1936 lebte Elise Baer in der Adelheidstraße 18 im Erdgeschoss. Sie wurde finanziell von ihrer Tochter Anna unterstützt. Im Testament ihres Schwiegersohnes, der sich wegen der nationalsozialistischen Repressalien das Leben nahm, ist zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes von Elise Baer ein monatlicher Betrag von 200 RM ausgewiesen.

Nach 1936 wohnte Elise Baer zur Untermiete, zunächst in der Adelheidstraße 16, dann in der Taunusstraße 6 und zuletzt in der Langgasse 20. Hier erhielt sie im August 1942 die Aufforderung zur Deportation nach Theresienstadt.

Ihre Tochter Anna war im März 1942 von Mainz nach Lublin deportiert worden, ihr Schwiegersohn hatte sich einige Zeit zuvor das Leben genommen. Von ihm, so die Aussage ihrer Enkelin Frau Meyer-Jorgensen, soll Elise Baer eine Kapsel Zyankali erhalten haben.

Nachdem sie den Bescheid mit dem Datum ihrer Deportation erhalten hatte, räumte sie am 25. August 1942 ihre Wohnung auf, richtete sich ordentlich her, legte sich auf das gemachte Bett und nahm das Gift ein.

Elise Baer wurde 80 Jahre alt. Ihr Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Platter Straße neben dem ihres Mannes und ihres Sohnes.

Bella und Hugo Kronenberger

ERMORDET IN AUSCHWITZ UND THERESIENSTADT

Bella geb. Kaufmann, *14. Mai 1887 in Langenschwalbach (heute Bad Schwalbach)
Hugo Kronenberger, *8. Januar 1876 in Hoppstädten bei Birkenfeld

Hugo Kronenberger stammte aus Hoppstädten bei Birkenfeld. Er wurde dort am 8. Januar 1876 geboren. Im Juli 1907 heiratete er in Wiesbaden Bella Kaufmann, Jahrgang 1887, aus Langenschwalbach (heute Bad Schwalbach).

Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Trude, Jahrgang 1909 und Leo, Jahrgang 1914. Ein weiteres Kind verstarb 1913 im Alter von zwei Jahren.

Nach Besuch des Gymnasiums in Birkenfeld und Militärdienst in Straßburg führte Hugo Kronenberger mit seinem Bruder Louis in der Moritzstraße 37 einen gut gehenden Großviehhandel. Auf Grund der Schikanen der Nationalsozialisten musste das Geschäft im Dezember 1934 jedoch aufgegeben werden.

Jüdische Metzger und Viehhändler in Wiesbaden hatten seit 1933 in besonderem Maße unter Boykottmaßnahmen, Demütigungen und Handgreiflichkeiten von Seiten ihrer nichtjüdischen Kollegen zu leiden.

Das Ehepaar Kronenberger musste nun von seinen Ersparnissen leben, später von Zuwendungen von Verwandten aus dem Ausland.

Sohn Leo ging 1936 zum Gesangsstudium nach Italien und emigrierte später in die USA. Tochter Trude emigrierte mit ihrem Ehemann Kurt Schreiber 1939 nach England. Hugos Bruder Louis gelang es noch 1941, über Kuba in die USA zu fliehen.

Bella und Hugo Kronenberger blieben in Wiesbaden zurück, im eigenen Haus in der Dotzheimerstraße 56, das ihnen seit 1919 gehörte. Im Dezember 1938 mussten sie es „verkaufen“, konnten aber weiterhin dort wohnen. Sie hatten intensiv am jüdischen Leben in Wiesbaden teilgenommen, waren u.a. Mitglieder im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten bzw. in dessen Sportorganisation.

Leo war bis zu seiner Ausreise 1936 stellvertretender Sportgruppenleiter. Am 1. September 1942 wurden Bella und Hugo Kronenberger nach Theresienstadt deportiert. Hugo kam dort am 12. November 1943 zu Tode, wie Bella im Dezember 1943 an Hugos Nichte schrieb. Bella wurde am 1. Mai 1944 in Auschwitz ermordet.

Bella Levitta

ERMORDET AM 29. SEPTEMBER 1942 IN TREBLINKA

Bella Levitta, *1. Juli 1876 in Rüdesheim

Bella Levitta wurde am 1. Juli 1876 in Rüdesheim geboren. Sie war Hutmacherin. Wohnung und Geschäft befanden sich in der Grabenstraße in Rüdesheim, wo sie Hüte für Kundinnen vor allem im Rheingau, jedoch auch bis nach Frankfurt und Wiesbaden herstellte.

Als 1938 ihr kleines Vermögen durch Sicherungsanordnung beschlagnahmt wurde, musste sie ihr Geschäft aufgeben. In der Zollfahndungsstelle Mainz bemerkt man hierzu:

„Es besteht der Verdacht, dass Bella Levitta plötzlich unangemeldet auswandert und Vermögenswerte … ins Ausland verbringt. Im Ausland kann sie mit der Unterstützung von Verwandten rechnen.“

Sie darf von diesem Zeitpunkt an Zahlungen nicht mehr selbst entgegennehmen und versendet aus diesem Grund per Einschreiben 47 Benachrichtigungen an ihre ehemaligen Kunden, bei denen offensichtlich noch Zahlungen ausstehen.

Im Dezember 1938 zieht sie nach Wiesbaden, im April 1940 in die Mosbacher Straße 36. Hier arbeitet sie für 35 RM monatlich, Kost und Logis für die Familie Paul und Pauline Kornblum. Pauline Kornblum ist seit langem krank, Bella Levitta versieht den Haushalt.

Im April 1942 soll sie eine Aufstellung der Kosten für ihren Lebensunterhalt liefern. Zu diesem Zeitpunkt ist Pauline Kornblum verstorben, Paul Kornblum in ein sog. Judenhaus zwangseingewiesen worden und sie selbst hat Zuflucht bei ihren Verwandten, dem Ehepaar Karl Rothschild, in der Rheinstraße 81 gefunden, wie aus ihrer Antwort hervorgeht.

Am 1. September 1942 wird Bella Levitta nach Theresienstadt deportiert, am 29. September 1942 wird sie in Treblinka ermordet.

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